Die Definition des Placebo-Effekts (aus dem Lateinischen von placebo „ich werde gefallen“) lautet: Positive Auswirkungen ärztlicher Kommunikation und eigener Erwartungen in Behandlungen, die nicht durch ein Medikament oder eine andere medizinische Intervention verursacht werden. Alle negativen Auswirkungen einer Behandlung, die durch unbeabsichtigte Suggestion (Beeinflussung) des Patienten durch den Arzt und/oder durch negative Erwartungen ausgelöst werden, werden Nocebo-Effekt (nocebo lat. „ich werde schaden“) genannt. Ich möchte in diesen Definitionen die Bezeichnungen Arzt/Patient auf alle anwesenden Personen eines Geburtsteams bzw der gebärenden Frau ausweiten.
Bewusstheit über die tieferen Wirkweisen und eine klare Kommunikation auf Seiten der Geburtshelfer ist für eine natürliche Geburt aus eigener Kraft entscheidend. Positive wie negative Gedanken oder Gefühle werden von der Gebärenden besonders stark wahrgenommen – im Guten wie im Schlechten. Der Nocebo-Effekt – ein negativer Gedanke, der sich negativ auf den tatsächlichen Verlauf auswirkt – ist bei Geburten daher besonders zu beachten.
„Communication is the most dangerous medical procedure.” Dr Peter Brindley, Head of Critical Care, University of Alberta Hospital
Nozebo- und Placeboeffekte in der Arzt-Patienten-Kommunikation sind ausführlich beschrieben. Die Erwartungen, die ein Patient an eine medizinische Maßnahme hat, haben einen großen Einfluss darauf, wie die Handlung erlebt wird. In der Literatur wird immer wieder beschrieben, wie die Ankündigung einer schmerzhaften Intervention oder einer unangenehmen Erfahrung zu einem erhöhten Schmerzerleben bei Patienten führte. Selbst auf neurobiologischer und biochemischer Ebene gibt es nachweisbare Wirkungen der Kommunikation. Der italienische Neurowissenschaftler Fabrizio Benedetti belegte, dass negative verbale Äußerungen vorausschauende Ängste bezüglich der möglicherweise bevorstehenden Schmerzen auslösen. Diese verbal ausgelösten Ängste triggern die Aktivierung des Hormons Cholezystokinin (CCK), was wiederum die Schmerzleitung verstärkend beeinflusst.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die plazeboinduzierten neurobiologischen Mechanismen – bei Schmerz sind das Hormonausschüttungen von Opioiden, Dopaminen und Cholezystokininen – den medikamenteninduzierten Mechanismen sehr ähnlich sind. Positive Äußerungen aktivieren das Opioid-System als Plazebo, negative Äußerungen die CKK-Rezeptoren mit Nozebowirkung. Für die Kommunikation während einer Geburt bedeutet das, dass die Kontaktgestaltung zwischen dem Geburtsteam und der werdenden Mama bei jeder Intervention einen wesentlichen Teil darstellt. Vor diesem Hintergrund wird sehr deutlich, welchen Einfluss die Wahl der Worte auf eine Gebärende haben - und zwar nicht nur psychisch, sondern nachweisbar auch auf physischer Ebene.
Im nächsten Teil dieser Reihe geht es darum, wie Verneinungen unser Gehirn verwirren. Die Vorgänge im Hintergrund der Sprachverarbeitung einer Verneinung finde ich besonders interessant. Warum ist es nicht möglich, NICHT an eine rote Rose zu denken? Dazu findet ihr auch ein Fall-Beispiel aus meiner persönlichen Praxis.
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