Bengkung Bellybinding ist eine alte malaysische Tradition und beschreibt die Art und Weise, den Bauch und die Hüften einer Frau nach der Geburt einzuwickeln und damit den Heilungsprozess im Wochenbett auf vielen Ebenen zu beschleunigen. Ich durfte diese Technik bei Stephanie Johne erlernen und möchte deshalb an dieser Stelle mit ihr über die unterstützende Wirkung des Bellybinds, insbesondere in den Wochen nach der Geburt, sprechen.
Liebe Stephanie, ich persönlich bin während meines Trainings zur Wochenbett-Doula in deinem Kurs das erste Mal auf die Möglichkeit des Bellybindings gestoßen. Wahrscheinlich ist diese Technik auch vielen anderen Müttern noch kein Begriff, wie sieht diese Bauchbinde also konkret aus und warum ist sie im Wochenbett so eine gute Unterstützung?
Beim Bellybinding wird mit einem etwa 17 Meter langen und 20 Zentimeter breiten Tuch gearbeitet, das ab dem ersten Tag nach der Geburt, insofern sie komplikationslos war, angewandt werden kann. Dabei wird das Tuch von der Hüfte bis zu den Rippenbögen umwickelt, optisch erinnert das ein bisschen an ein Korsett. Technisch hat das den Vorteil, das jedes Tuch ganz individuell an die Körperform der Wöchnerin angepasst wird. Bachgurte sind oft genormt. Es gibt sie zwar mittlerweile in verschiedenen Größen, trotzdem ähnelt gerade nach der Geburt kein Körper dem anderen. Das fängt allein schon bei der Länge des Oberkörpers an. Den Bauch nach der Geburt einzuwickeln kann viele Vorteile haben: vor allem ist es eine wichtige Stütze – emotional wie physisch. Es hilft dabei, die Bauchmuskulatur wieder zusammenzuführen, die Organe zurück an ihren Platz zu bringen, die Körpermitte warm zu halt und den unteren Rücken und die Haltung zu unterstützen… Wichtig ist dabei allerdings zu erwähnen, dass Bellybinding niemals die Rückbildung ersetzt und vor allem in den ersten Wochen nach der Geburt angewandt werden sollte.
Bellybinding wirkt ja nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern ist auch mental ein guter Support in dieser sehr verletzlichen Zeit. In unserem Training haben wir viel über den Zusammenhang von Wochenbettfürsorge und Baby Blues bzw Postpartaler Depression gesprochen. Welche Erfahrungen machen frischgebackene Mütter mit dem Bellybind auf emotionaler Ebene, was berichten sie dir?
Viele fühlen sich nach der Geburt gerade in der Körpermitte leer. Da Gefühl ist glaube ich auch für alle, die noch keine Kinder haben, gut nachzuvollziehen. Eben war da noch das Baby, der große Bauch, all die körperliche Energie der werdenden Mama hat sich darauf konzentriert. Nach der Geburt ist das von einem auf den anderen Moment plötzlich weg. Das fühlt sich nicht nur physisch überwältigend an, sondern vor allem psychisch. Alles ist weich, der Körper ist offen, alles ist im Fluss, auch die Emotionen. Vielen Frauen gibt es Halt, sich mit dem Bellybind zu verschließen. Dem Körper einen „Rahmen“ zu geben.
Ich biete den Wöchnerinnen bei meinen Begleitungen an, eine Bauchpaste aus verschiedenen Gewürzen und Ölen zuzubereiten, die vor allem in den ersten Tagen nach der Geburt die Entspannung aber auch die Rückbildung fördert. Unter dem Bellybind aufgetragen, können die Zutaten über mehrere Stunden wirken – wie genau soll die Bauchbinde denn getragen werden? Ab wann kann/soll man nach der Geburt beginnen und wie lange wird Bellybinding im Wochenbett empfohlen? Gibt es irgendwelche Einschränkungen, zB nach einem Kaiserschnitt?
Die Paste ist eine wunderbare Ergänzung, aber kein Muss. Gerade, wenn die Frauen den Bellybind dann selbst anwenden, ist es einfacher ohne. Wer aber eine Doula hat, die die Technik anbietet, sollte sich unbedingt mit der Bauchpaste und einer Streicheleinheit verwöhnen lassen. Grundsätzlich kann der Bind ab dem ersten Tag nach der Geburt angewandt werden und sollte dann täglich für 30 Tage zur Anwendung kommen. In der traditionellen Geburtshilfe wird die Anwendung bis zum Ende des Wochenbetts empfohlen, dem Zeitpunkt, wo wir quasi wieder mit der Rückbildung beginnen und die Muskulatur wieder aktivieren wollen. Nach einem Kaiserschnitt warten wir die erste Zeit der Narbenheilung noch ab und starten in Absprache mit der Hebamme oder dem Arzt so um den 10. Tag nach der Geburt.
Sehr schade, dass diese schöne Tradition damals nach meinen Geburten hierzulande noch kein Thema war. Wenn die Geburt jetzt aber noch nicht gar so lange her ist wie bei mir, macht es denn auch nach dem Wochenbett noch Sinn, Bellybinding anzuwenden bzw gibt es auch noch andere Einsatzmöglichkeiten?
Ja, auf jeden Fall, gerade wenn Frauen noch immer eine Rektusdiastase (Anm.: seitliches Auseinanderschieben der geraden Bauchmuskulatur in der vorderen Bauchwand) haben. Auch hier wieder ganz wichtig: das Tragen eines Bellybinds ersetzt nicht das körperliche Workout, ist aber eine super Ergänzung, um die gerade Bauchmuskulatur wieder weitmöglichst zusammenzubringen. Auch interessant ist der Einsatz während oder kurz vor der Regel: das Gefühl des Gehaltenwerdens in dieser manchmal unsteten und emotionalen Zeit und die körperliche Stütze können sich positiv auf PMS und Bauchkrämpfe ausüben. Auch Frauen mit sehr langen oder ausstehenden Blutungen, haben heute positive Erfahrungen mit der Anwendung des Bellybinds gemacht.
Vielen Dank, liebe Stephanie, dass du als meine Mentorin meine erste Interview-Partnerin für meinen Blog warst und du uns die Tradition des Bellybindings auf diesem Weg noch etwas näher gebracht hast!
Mag Stephanie Johne www.warrior-woman.net stieß im Rahmen ihrer Studien-Reisen erstmals in Indonesien und Südamerika auf diese Tradition - die aufwändigen Zeremonien, mit der Mütter in anderen Kulturen in ihrer neuen Rolle willkommen geheißen werden, haben sie nachhaltig beeinflusst. Seit der Geburt ihres Sohnes wirkt die gebürtige Berlinerin in Baden bei Wien unter anderem als Geburtsbegleiterin, (Ausbildungsleiterin zur) Postpartum-Doula, als Journalistin und Autorin zum Thema Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Ihr erstes Buch „Milk & Mother“ ist Anfang 2021 erschienen und kann allen werdenden und frischgebackenen Mamis sehr ans Herz gelegt werden. Stephanie ist außerdem Gründerin eines wunderschönen Women Space, dem AAVA Collective. Dort bietet sie zusammen mit ihrem großartigen Team in Baden bei Wien verschiedene Kurse und Workshops rund um das Thema Frauengesundheit an: www.aavacollective.com
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